Dehiszenz (Wunddehiszenz, Nahtdehiszenz) 

Wunddehiszenz bezeichnet das Auseinanderweichen oder Aufreißen einer zuvor genähten Operationswunde. Die Wundränder, die eigentlich fest miteinander verbunden sein sollten, trennen sich wieder und geben nach.

Das Problem offenbart sich meist erst einige Tage nach der Operation.

Die Häufigkeit variiert je nach Operationsart erheblich: Bei Bauchoperationen liegt sie zwischen 0,4 und 3,5 Prozent, bei Herzoperationen am Brustbein sowie bei Hüftprothesen-Eingriffen bei etwa 3 Prozent (Sandy-Hodgetts et al. 2015: 290).

Formen der Wunddehiszenz

Es gibt drei Schweregrade.

Oberflächliche Dehiszenz: Die Wundränder weichen auseinander. Häufig nimmt die Blutung zu oder es tritt vermehrt Wundflüssigkeit aus. Diese Form lässt sich meist konservativ behandeln.

Tiefe Dehiszenz: Die Wunde reißt bis in tiefere Schichten, die Bindegewebshülle der Muskulatur ist betroffen. Chirurgischer Notfall.

Eviszeration: Die schwerste Form, bei der innere Organe durch die geöffnete Wunde nach außen treten. Früher auch als Platzbauch bezeichnet. Hier ist eine sofortige Operation erforderlich.

Risikofaktoren

Bestimmte Bedingungen erhöhen das Risiko deutlich:

  • Wundinfektionen (wichtigster Einzelfaktor)
  • Starkes Übergewicht (BMI über 30)
  • Diabetes mellitus
  • Rauchen (verengt die Blutgefäße)
  • Höheres Alter (über 65 oder 75 Jahre)
  • Mangelernährung, besonders Eiweißmangel
  • Langzeitbehandlung mit Kortison
  • Chronische Lungenerkrankung (COPD)
  • Strahlentherapie im Wundbereich
  • Blutarmut (Anämie)

Bei Bauchoperationen kommen weitere Faktoren hinzu: sehr lange Eingriffe (über 6 Stunden), Notfall-Operationen, anhaltende künstliche Beatmung nach der OP oder starkes Husten, das die Bauchdecke belastet.

Symptome und Diagnose

Die Wundränder weichen sichtbar auseinander. Oft nimmt die Menge an Blut oder Exsudat zu; manchmal zeigen sich Anzeichen einer Infektion oder abgestorbenes Gewebe.

Die Diagnose? Eine sorgfältige Untersuchung der Wunde. Dabei wird geprüft, wie tief die Dehiszenz reicht und ob eine Infektion vorliegt.

Behandlung

Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad:

Oberflächliche Dehiszenzen werden häufig mit Bauchbinden oder speziellen Verbänden entlastet. Die Wunde heilt dann oft von selbst zu, allerdings über einen längeren Zeitraum (Sekundärheilung).

Tiefe Dehiszenzen und Eviszerationen müssen sofort im Operationssaal versorgt werden. Die Wunde wird unter sterilen Bedingungen gereinigt und erneut verschlossen.

Wunddehiszenz – Bedeutung in der Wundversorgung

Eine aufgerissene Operationswunde wird zur chronischen Wunde, wenn die Heilung dauerhaft gestört bleibt. Chronische Wunden sind definiert als Integritätsverlust der Haut, der nicht innerhalb von 8 Wochen abheilt (vgl. Rüttermann et al. 2013).

Besonders bei Risikopatienten mit Diabetes, Durchblutungsstörungen oder nach Infektionen besteht diese Gefahr. Die professionelle Wundversorgung spielt dann eine zentrale Rolle: Regelmäßige Wundreinigung, Infektionskontrolle und geeignete Wundauflagen unterstützen die verzögerte Heilung. Bei ausbleibender Besserung nach 6 Wochen leitliniengerechter Behandlung sollten weitere Ursachen abgeklärt werden (vgl. Rüttermann et al. 2013).

ICD-10 Klassifikation

Der Hauptcode für Wunddehiszenz lautet:

T81.3 – Aufreißen einer Operationswunde, anderenorts nicht klassifiziert

Dieser Code umfasst: Aufbrechen und Aufreißen der Operationswunde, Nahtdehiszenz, Nahtinsuffizienz, postoperative Wundruptur sowie Eviszeration (Platzbauch). Ausgenommen sind geburtshilfliche Dehiszenzen, die eigene Codes haben.

Quellen

Sandy-Hodgetts, K., et al. (2015): Surgical wound dehiscence: a conceptual framework for patient assessment, in: Journal of Wound Care, Jg. 24, Nr. 7, S. 290–292, [online] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7950784/ [17.11.2025].

Rüttermann, M., et al. (2013): Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronische venöse Insuffizienz, in: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Nr. 3, S. 25-31, [online] https://www.aerzteblatt.de/archiv/134017/Lokaltherapie-chronischer-Wunden [17.11.2025].


Fachliche Information

Dieser Artikel wurde auf Basis medizinischer Primärquellen erstellt und entspricht aktuellen wissenschaftlichen Standards.

Medizinischer Hinweis: Diese Informationen dienen der allgemeinen Aufklärung und ersetzen keine ärztliche Beratung oder Behandlung. Bei gesundheitlichen Fragen konsultieren Sie bitte medizinisches Fachpersonal.

Notruf: In medizinischen Notfällen wählen Sie 112 (Rettungsdienst) oder 116 117 (Ärztlicher Bereitschaftsdienst).

Veröffentlicht: 15.12.2025