Hypochlorige Wundspüllösungen (HOCL)

Hypochlorige Säure ist eine schwache chlorhaltige Säure. Im menschlichen Körper spielt sie eine wichtige Rolle bei der Infektionsabwehr.

Weiße Blutkörperchen produzieren sie während der Phagozytose (Zellfressen), um eingedrungene Bakterien und Viren zu zerstören (vgl. Kramer 2016). Diese natürliche Substanz wird heute in medizinischen Wundspüllösungen eingesetzt.

Die Idee: Was der Körper selbst nutzt, verträgt er normalerweise gut.

Wirkungsweise

Die keimtötende Wirkung beruht auf einem simplen Prinzip.

Hypochlorige Säure dringt in die Zellwände von Bakterien, Viren und Pilzen ein. Dort zerstört sie deren Proteine durch reaktive Sauerstoffverbindungen. Da die Moleküle elektrisch neutral geladen sind, werden sie von Bakterien nicht abgestoßen.

Menschliche Zellen besitzen Schutzmechanismen gegen Hypochlorige Säure. Das ergibt Sinn, denn sie kommt im eigenen Immunsystem vor. Höher organisierte Zellstrukturen bleiben unbeschädigt, während einfache Krankheitserreger zerstört werden.

In Kombination mit Salzlösungen entfaltet die Säure zusätzlich Druck an der beschädigten Zellmembran der Bakterien. Das beschleunigt deren Zerstörung.

Anwendungsbereiche

Medizinische Fachempfehlungen stufen Hypochlorige-Säure-Lösungen als bevorzugte Wahl für die intensive antiseptische Reinigung verschmutzter Verletzungswunden und die wiederholte Reinigung chronischer Wunden ein (vgl. Kramer 2016).

Bei akuten Wunden:

  • Verschmutzte Verletzungen (Schnittwunden, Bisswunden, Risswunden)
  • Abschürfungen
  • Verbrennungen ersten und zweiten Grades
  • Operationswunden

Bei chronischen Wunden:

  • Diabetische Fußgeschwüre
  • Beingeschwüre (durch Venenschwäche oder arterielle Durchblutungsstörungen)
  • Dekubitus (Druck)schädigungen

In besonderen Situationen:
Ein Vorteil von Hypochlorige-Säure-Lösungen: Sie dürfen auch bei freiliegendem Knochen oder Knorpel angewendet werden. Bei anderen Antiseptika ist das oft verboten (vgl. Dissemond et al. 2025).

Auch bei Risiko einer Exposition mit Gehirn oder Rückenmark funktionieren sie. Selbst bei schweren Bauchfellentzündungen (Peritonitis) ist die Spülung von Körperhöhlen erlaubt.

Antimikrobielle Wirksamkeit

Hypochlorige Säure wirkt gegen viele Krankheitserreger:

  • Bakterien (aktive und ruhende Sporen)
  • MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus)
  • Pseudomonas aeruginosa und E. coli
  • Pilze (Aspergillen)
  • Parasiten (Cryptosporidien)
  • Behüllte Viren (HIV, Hepatitis B)
  • Biofilme (bakterielle Schutzschichten auf Wunden)

Die Wirkung setzt schnell ein. Schneller als bei anderen gängigen Antiseptika wie Povidon-Iod, Octenidin oder Polihexanid.

Vorteile

  • Natürlicher Mechanismus: Hypochlorige Säure ist körpereigen. Der Körper erkennt sie als „eigene“ Waffe gegen Infektionen.
  • Keine Resistenzentwicklung: Der Mechanismus verhindert, dass Erreger Resistenzen entwickeln können. Das ist ein großer Vorteil gegenüber Antibiotika. Gerade bei multiresistenten Keimen.
  • Breites Einsatzfeld: Anders als andere Antiseptika funktioniert Hypochlorige Säure auch bei freiliegendem Knochen, Knorpel, Sehnen oder Bändern. Auch in der Nähe von Gehirn oder Rückenmark ist sie sicher.
  • Praktische Anwendung: Die Lösungen sind gebrauchsfertig. Keine Verdünnung nötig. Nach Anbruch halten sie 6 bis 10 Wochen. Sie müssen nicht ausgespült werden und können in der Wunde verbleiben.
  • Ökologisch und günstig: Die Herstellung läuft durch elektrochemische Umwandlung einer Kochsalzlösung. Das macht sie kostengünstig und umweltfreundlich.

Verträglichkeit

Hypochlorige-Säure-Wundspüllösungen gelten als sehr gut verträglich. In den sehr niedrigen Konzentrationen sind Nebenwirkungen selten bis nicht vorhanden. Die Anwendung ist sanft, ohne Brennen oder Reizung.

Wichtig zu wissen: Höher konzentrierte Lösungen von Hypochloriger Säure oder Natriumhypochlorit (wie Haushaltsbleiche) können Haut- und Gewebeschäden verursachen. Medizinische Wundspüllösungen sind jedoch stark verdünnt und sicher.

Quellen

Dissemond, J. et al. (2025): Systematik, Diagnostik und Therapie von Wundinfektionen chronischer Wunden: Ein Positionspapier von WundDACH, in: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, [online] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC12087707/ [21.11.2025].

Kramer, A. (2016): Wundantiseptik, in: Ars Medici, Ausgabe 9/2016, [online] https://www.rosenfluh.ch/arsmedici-2016-09/wundantiseptik [21.11.2025].


Fachliche Information

Dieser Artikel wurde auf Basis medizinischer Primärquellen erstellt und entspricht aktuellen wissenschaftlichen Standards.

Medizinischer Hinweis: Diese Informationen dienen der allgemeinen Aufklärung und ersetzen keine ärztliche Beratung oder Behandlung. Bei gesundheitlichen Fragen konsultieren Sie bitte medizinisches Fachpersonal.

Notruf: In medizinischen Notfällen wählen Sie 112 (Rettungsdienst) oder 116 117 (Ärztlicher Bereitschaftsdienst).

Veröffentlicht: 2025-12-15